Die Buchhandlung Sternkopf & Hübel platzte aus allen Nähten. Immer mehr Besucher kamen, um Autor Tilman Röhrig samt neuestem Historischen Roman „Caravaggios Geheimnis“ zu lauschen. Und wie zuvor „Riemenschneider“ zog das Buch sofort in seinen Bann.
CELLE. Allein die Wahl der Themen zeugt vom Händchen für verborgene, zugleich historisch relevante Koordinaten abendländischer Kultur- und Kunstgeschichte des poetischen Dokumentars. Wie Röhrig düstere Verwicklungen seines Protagonisten Michele in Beziehung zur charakteristischen Licht-Schatten-Malerei setzt, zeigt, welch enormen Rechercheaufwand der Autor bei jedem seiner Romane betreibt. Genau das loben die Kritiker, spiegeln seine unzähligen Preise. Zweieinhalb Jahre Arbeit steckt in dem Roman, davon ein Jahr Recherche. Röhrig besuchte Ausstellungen, ging auf Reisen. Nach Mailand, wo Michelangelo Merisi da Caravaggio gelernt hat, Caravaggio, wo er 1571 geboren wurde, Rom, Palermo, Malta, Neapel. „Ich habe mich in der Farbherstellung versucht, mit Malgründen, Fresken, Ei, Öl und versenkten Leinwänden experimentiert“, sagt Röhrig. „Und ich habe die Farbe auf der Zunge geschmeckt“.
Auf diese Weise schafft der Bestsellerautor ein Gemälde von Licht und Schatten, dem er einen realen Rahmen gibt: Caravaggios verschollene „Geburt Christi“. Die Nativita wurde 1969 aus einer Kirche in Palermo geraubt. Röhrig durchstreift das Dunkel jener Zeit, beobachtet die Zwangsmissionierung der Juden in Rom, kostet jede tragische Schattierung des exzentrischen lombardischen Malers aus, auch dessen sexuellen, homoerotischen Gelüste. Gleich seinem porträtierten Genius formt er das unnachahmliche Licht aus jeder Zeile. Eine dramatische Welt aus Muse und Farbe. Besonders geistreich sind Dispute des lange verkannten Caravaggio mit seinen Mäzenen, sind Selbstzweifel und Besessenheit.
Es ist beeindruckend, wie Röhrig es versteht, diesen Seiltanz der Emotionen, dieses Auf und Ab der Kräfte nachzuvollziehen. Ebenso fesselnd ist die Art seines Vortrags. Der Schriftsteller, Schauspieler, Regisseur, Film-, Funk- und Fernsehautor besitzt ein Gespür für Reichtum und Rhythmus der Sprache. Mit theatralem Charisma schlüpft er in die einzelnen Rollen, die historischen wie fiktiven. Auch deshalb ist der 1945 als Pfarrerssohn im Hunsrück geborene, heute in Köln lebende Autor jedes Jahr Gast der Celler Jugendbuchwoche, getragen vom Arbeitskreis Celler Jugendbuchwoche und der Bibliotheksgesellschaft Celle.
Tilman Röhrig, „Caravaggios Geheimnis“, Pendo 489 Seiten, 19,95 Euro.