Attila hat Nasenbluten

Die Vorbereitungen waren aufwändig. Allein ein Jahr lang recherchierte Tilman Röhrig für seinen spektakulären Hunnen-Roman „Ein Sturm wird kommen von Mitternacht“.
In der Mitte des 5. Jahrhunderts dringen Hunnenhorden aus dem Osten tief ins Abendland vor und bringen das zerfallende Römische Reich zunehmend in Bedrängnis. An der Spitze des Heeres steht Attila. Der Großkönig hat seinen Bruder Bleda getötet, mit dem zusammen er das Hunnenreich anführte. An Attilas Hof ist die junge burgundische Sklavin Goldrun (eine der wenigen fiktiven Figuren des Romans) bis zur Stallmeisterin des Großkönigs aufgestiegen. Als sich dessen jüngster Sohn Ernak in die attraktive Pferdeflüsterin verliebt, beschwört er damit eine Tragödie herauf.
Wie ein Sturm trägt uns dieser Roman zurück in eine fremde Epoche. So lebendig hat Röhrig seine Figuren skizziert, so detailliert beschreibt er jede Interaktion, so sprachgewaltig „überfällt“ er den Leser, dass sich dieser wie auf einen heimlichen Beobachterplatz 1500 Jahre vor seiner Zeit versetzt fühlt. Reizvoll für den Kölner Leser: Die Ursula-Legende aus Hunnen-Sicht.
Noch ein 11. September
Entsetzt verfolgt man schließlich die grausame Schlacht auf den Katalaunischen Feldern zwischen Reims, Paris und Metz anno 451. Röhrig hat erstmals das exakte Datum für Attilas blutige Niederlage gegen die Römer berechnet, wie er im Gespräch versicherte. Es soll der 11. September gewesen sein! „Gründlichkeit“ ist für den Autor ein Grundprinzip. Weil Attila an Nasenbluten starb, besuchte Röhrig sogar einen Kongress der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, um sich über die Erkrankung genauer zu informieren. Der Aufwand hat sich gelohnt: Fesselnder kann Geschichte kaum vermittelt werden.

Emanuel van Stein