In ihren Büchern überwog anfangs das Autobiographische. Jetzt schreiben Sie vor allem historische Romane, was reizt sie an dem Thema?
Ich habe immer über Wendepunkte, Kreuzwege der Geschichte geschrieben. Ich betreibe so etwas wie ein Studium Generale, um die großen Bezüge zu verstehen. Das möchte ich vermitteln. In meinen Büchern bearbeite ich die großen Wendepunkte unserer Geschichte. Zurzeit schreibe ich ein Buch über die Hunnen, die Geißel Gottes. Das ist das 5. Jahrhundert.
In Ihren Büchern geht es oft um einen Leidensweg. Sehen Sie die Jugend oder die Gesellschaft auf einem solchen Leidensweg?
Viele Jugendliche sitzen da und wissen nicht, wie es ihnen geht. Viele fühlen sich leer. Dabei wissen sie nicht, was die Ursache ist. Das liegt zum einen an der Phantasielosigkeit der Eltern. Es gibt keine Ziele mehr. So werden viele zu Nesthockern, weil die Eltern Angst haben, sie los zu lassen.
Geben Ihre Bücher eine Antwort auf diese Fragen?
Thoms Bericht stößt sicherlich den Gedanken an: “Ich denke mal über mich nach“. Oder jemand merkt „Scheiße, es geht mir gut“. Andere sagen: “Das kenn ich auch“. Das Selbstmitleid hört auf, wenn es beginnt, seine Einmaligkeit zu verlieren. Das kann so ein Buch leisten.
In wie weit spiegeln sich aktuelle Themen in Ihren Büchern, die formal historische Romane sind?
Das Talibanregime holte mich damals während des Schreibens zu meinem Buch „Wir sind das Salz von Florenz“ ein. Das alles gab es schon in Florenz, erkannte ich: den ersten Gottesstaat in viel schlimmerer Form. Kinderhorden jagten damals Schwule durch die Stadt. Frauen, die sich schminkten wurden bestraft. Das ist also nicht wirklich neu.
Mit Tilman Röhrig sprach Christopher End.