Mit seinem neuen historischen Roman über den Barockmaler Caravaggio (1571-1610) zeichnet der Bestsellerautor Tilman Röhrig ein differenziertes und keineswegs schmeichelhaftes Bild dieses Kunstgenies und seiner höchst dramatisch-unruhigen Epoche.
Nein, dieser Michelangelo Merisi aus Caravaggio, den die Nachwelt einfach nur nach seinem Heimatnamen nennt, ist wahrlich kein Held zum Verlieben, kein menschlich hehres Vorbild.
Tilman Röhrig, der zuletzt dem weltberühmten Altarschnitzer Tilman Riemenschneider ein umfangreiches Romanwerk gewidmet hat, porträtiert nun mit dem italienischen Ausnahme-Maler des Frühbarock einen gefährlich jähzornigen und egozentrischen Menschen, dessen charakterliche Schwächen ihm vor allem immer wieder selbst zum Verhängnis werden. Entsprechend schleppend und voller Rückschläge ist auch seine Karriere, die ihm gleichwohl dennoch bis heute Weltruhm eingebracht hat.
Zu Caravaggios Ehrenrettung muss aber auch konstatiert werden, dass sich der Künstler in einer überaus schwierigen Zeit durchschlagen und kreativ entfalten musste. Im Schatten einer allgegenwärtigen, mörderischen Inquisition, einer brutal hierarchisch aufgebauten Künstlerschaft in Rom und politischer wie kirchlicher Willkür ohne jeden Skrupel kann Caravaggio sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden aber auch seinen eigenen Dünkel kaum bändigen, geschweige denn unterordnen.
Tilman Röhrig entwirft in seinem spannenden Roman-Porträt ein Gesellschaftspanorama, in dem Päpste in schneller Folge wechseln, Mätressen Hochkonjunktur haben und Kardinäle ganze Heerscharen an Lustknaben um sich versammeln. Es braucht Geschick, Anpassungsvermögen und nicht zuletzt viel Glück, um in dieser brisanten Gemengelage überhaupt zu überleben. Caravaggio wird dabei gefördert und verdammt, hofiert und hintergangen. Er selbst wird von Tilman Röhrig als ein bindungsloser, selbstsüchtiger und aufbrausender Mensch geschildert, der seine ihm wohlgesonnene Umgebung schonungslos ausnutzt. Hin- und hergerissen zwischen den Geschlechtern fehlt es Caravaggio auch auf diesem Gebiet an Treue und Zuverlässigkeit. Eine tückische Krankheit belastet ihn und führt am Ende auch zu einem frühen Tod im Alter von 39 Jahren. Dazwischen wird der Maler immer wieder in schwerste, lebensgefährliche Schlägereien und Überfälle verwickelt; als Todschläger muss er schließlich quer durch Europa fliehen, wird als Ritter des Malteserordens geadelt und kurze zeit danach schon wieder mit Schimpf und Schande aus diesem erlauchten Kreis verbannt.
Alle diese Ereignisse und Charakterstudien sind historisch unzweifelhaft belegt und werden von Tilman Röhrig ebenso kundig wie einfühlsam in das Gesamtbild eingewoben. Dass zwischendurch immer noch großartige Meisterwerke entstehen, die zu ihrer Zeit geradezu eine künstlerisch revolutionäre Kraft entwickeln, belegt den außerordentlichen Stellenwert Caravaggios in der europäischen Kunstgeschichte.