Der Autor wird zu seinem Ronmanhelden

Bensheim. Selten war die Resonanz der Zuhörer bei einer Autorenlesung so ungeteilt positiv und das Vergnügen so groß wie bei dem Auftritt des Schriftstellers Tilman Röhrig. Und das Ungewöhnliche dabei: Nicht nur die Besucher waren total hingerissen von der Romanhandlung, der lebendigen Erzählkunst des Autors und seinem permanenten Dialog und Blickkontakt mit dem Publikum. Tilman Röhrig hatte, für jedermann sichtbar, mindestens ebenso so viel Spaß an der Begegnung.
Er durchlebt und spielt seine Romanhelden auf sympathische, authentische Weise: Er gestikulierte wild, haute mit der Faust auf den Tisch, breitete die Arme aus, warf mit imaginären Farbtöpfen um sich und veränderte seine Stimme je nach Rolle. Röhrig sprach mal gestelzt, mal schnodderig und arrogant. Es war ein Erlebnis, dem zierlichen, lebhaften Mann mit der wilden Frisur zuzuhören und zuzusehen. Der Autor von zahlreichen Jugendbüchern und Erwachsenenromanen outete sich nicht nur als jemand, der mit einem dynamischen, Schreibstil historische Figuren und Ereignisse nahebringt, er zeigte auch sein Talent als wunderbarer Entertainer. Auf Einladung der Bücherstube Deichmann las, nein erzählte der mit zahlreichen Kulturpreisen ausgezeichnete Vielschreiber im Foyer des Parktheaters aus seinem neusten historischen Roman "Caravaggios Geheimnis".
Röhrig beschreibt darin den mühsamen Aufstieg des Malers Michelangelo Merisi, den alle Welt nur Caravaggio nennt und die Abgründe, die der hart erkämpfte Ruhm mit sich bringt. Er schildert das Genie Michelangelo als Mensch aus Fleisch und Blut, der zweifelt, sich mit Malen von Heiligenbildchen über Wasser hält und schließlich Neider und Spötter mit seiner Kunst besiegt.
"Ich gehe nach Rom und werde berühmt", sagt Röhrigs Caravaggio. Und hält Wort. Zwei Jahre hat der im Hunsrück und heute bei Köln lebende Schriftsteller in Archiven, Bibliotheken und Museen recherchiert. Er ist nicht nur zu den Originalschauplätzen nach Mailand, Caravaggio, Rom, Palermo, Malta und Neapel gereist, sondern hat sich intensiv mit der Malerei beschäftigt und damit, wie man Farben herstellt. Und er hat herausgefunden, dass sein Romanheld "Freskenmalerei hasste".
"Die Person Michelangelo war einfach zu bestechend, um nicht über sie zu schreiben", beantwortete er die Frage einer Zuhörerin, warum er sich ausgerechnet den Ausnahmekünstler als Hauptfigur seines Buches ausgesucht hat. Und er fuhr fort, dass er mit seinen historischen Romanen, zuletzt über Tilman Riemenschneider, "Eck- und Scheidepunkte deutscher Geschichte" beschreiben wolle.
Es ist eine bildhafte, spannende Reise in die Vergangenheit, auf die der Schriftsteller die Leser seines Buches - in diesem Fall seine Zuhörer - mitnimmt und diesen die Hauptpersonen des Romans, Paola, der bodenständigen Geliebten Caravaggios, seine Gönnerin Sforza, den Maler Giuseppe Cesari D'Arpino und andere vorstellt.
90 Minuten sitzt Röhrig mit seinem Buch in der Hand an dem kleinen Tisch, liest einige Kapitel und erzählt viel von dem Maler und Mensch, der - von Leidenschaft und einem brennenden Ehrgeiz getrieben - immer nur eins wollte: Malen, und zwar nicht die oberen Zehntausend, wie damals üblich, sondern Bilder von einfachen Leuten, denen das Leben Spuren im Gesicht hinterlassen hat.
Tilman Röhrig gibt den Lesern seines Romans "Caravaggios Geheimnis" einen Einblick in ein pralles Sittengemälde der korrupten Gesellschaft Italiens des 16. Jahrhunderts. In Bensheim las er auch aus einem Kapitel, das Betroffenheit unter den Zuhörern auslöste. Es handelt von "Umerziehungsmaßnahmen" des Klerus gegenüber Juden und Übergriffen im Ghetto. Mit Peitschenhieben wollten Dominikaner die Juden zu guten Christen prügeln: Die christlichen Gaffer standen drum herum und wohnten dem entwürdigenden Schauspiel bei.