Wenn es im Buch regnet, ist das ein historischer Regen

Es ist mucksmäuschenstill, als der Mann mit dem wallenden Haar beginnt, sein Publikum literarisch aus der Brühler Jugendstilvilla in die florentinische Renaissance zu entführen. Gebannt lauschen die Zuhörer dem detaillierten Sittengemälde, das er ihnen mit eleganter Sprache zeichnet. Tilman Röhrig, dem bekannten und hoch dekorierten Autor, gelingt es so einmal mehr, mit der Vorstellung seines Romans „Wir sind das Salz von Florenz“ zu faszinieren.
Es ist immer wieder ein eindrucksvolles Erlebnis, Röhrig seine eigenen Texte lesen zu hören, denn er überzeugt nicht nur als Autor, sondern auch als sehr guter Rezitator. So geschliffen wie die Worte des Buches sind auch die Texte, mit denen Röhrig von einer Passage zur anderen überleitet. Dramaturgisch feinfühlig versteht er Pausen zu setzen, nach dem Glas Wasser zu greifen und einen tiefen Schluck zu nehmen, oder sparsame gestische Akzente zu setzen. Ein Fingerheben hier, ein beschwörendes Ausstrecken der Hand dort, es scheint, als wolle Röhrig seine Protagonisten tatsächlich zum Leben erwecken. Da kommt dem Literaten sicherlich auch sein einstiges Studium an der Schauspielschule zugute.
Eindringlich werden Röhrigs Augen. Er wirkt fast schon so durchgeistigt entrückt wie sein Protagonist, der Priester Girolamo Savonarola, als er beginnt aus dessen Predigten zu zitieren. Der Mönch ist ein christlicher Fanatiker, vom Leben enttäuscht und dessen Schönheit als Sünde verteufelnd. In einer Zeit des Umbruchs trifft er damit den Nerv der Menschen. Das Florenz der Renaissance, der von Lorenzo di Medici - dem Förderer der schönen Künste und der Wissenschaften - zu einem Licht durchfluteten Palast gemachten Stadt, tritt der lebensverneinende Bußprediger Savonarola rigoros entgegen. Er vertreibt das Licht der neuen Zeit, da er das farbenprächtige Florenz in ein graues, heilig-nüchternes Laienkloster, einen sittenstrengen Gottesstaat, verwandeln möchte. Anschaulich und drastisch beschreibt der Autor in seinem halbfiktiven Roman die historischen Ereignisse gegen Ende des 15. Jahrhunderts.
Dabei zeigen Form, Inhalt und Sprache eine kunstvolle Einheit. Das erzählerische Talent des Autors spiegelt sich in wortschöpferischen Beschreibungen wieder. Die Figuren sind nachvollziehbar gestaltet. So entstehen durch atmosphärische dichte Bilder eine ganze Welt, die den Leser auf verschiedene Erzählebenen hebt. Entstanden ist auf diese Weise ein Buch, das Lust aufs Lesen macht. Der Applaus des, für eine Autorenlesung wirklich vielköpfigen Publikums, zeigt, dass Röhrig überzeugt hat, sein literarischer Stoff in den Bann zieht.
Seit inzwischen 30 Jahren ist Röhrig freischaffender Autor, der sich mit sauber recherchierten Historienromanen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene einen großen Namen gemacht hat. Auszeichnungen wie der Deutsche Jugendliteraturpreis, der Köln-Literaturpreis und der Große Rheinische Kulturpreis zeigen neben den enormen Verkaufszahlen, dass Röhrig literarisch auf hohem Niveau überzeugen kann.
ch