Zuhörer in den Bann gezogen

Wenn Tilman Röhrig an einem neuen Buch arbeitet, geht dem Schreiben stets eine intensive Recherche voraus. So war es auch bei seinem jüngst erschienenen Roman „Caravaggios...
ERFTSTADT.Wenn Tilman Röhrig an einem neuen Buch arbeitet, geht dem Schreiben stets eine intensive Recherche voraus. So war es auch bei seinem jüngst erschienenen Roman „Caravaggios Geheimnis“. Dafür ist der in Hürth lebende Schriftsteller nicht nur nach Mailand und das benachbarte Örtchen Caravaggio, sondern auch nach Rom, Palermo, Neapel und Malta gereist.
Weil er „ein haptischer Mensch“ ist, hat er sich auch mit der Herstellung von Farben und dem Malen selbst beschäftigt, wenngleich der Versuch „ein Bild aus dem Dunkel der Leinwand ins Helle zu locken“ nicht von Erfolg gekrönt war, wie er schmunzelnd eingestand. Röhrigs Talent liegt eben im Schreiben, davon konnten sich die Besucher der Lesung überzeugen, zu der die Stadtbücherei Erftstadt den prominenten Autor anlässlich der „Langen Nacht der Bibliotheken“ eingeladen hatte.
Zum dritten Mal fand die Aktion in NRW statt, mehr als 110 Büchereien beteiligten sich daran. „Bibliotheken bauen Brücken“, hieß das Motto. Röhrig jedenfalls gelang es glänzend, die Stimmung jener Zeit zu schildern, in der einer der größten europäischen Barock-Maler gelebt hat. Michelangelo Merisi, der sich nach seinem lombardischen Heimatdorf „Caravaggio“ nannte, war ein wilder Bursche mit ungestümem Temperament. Das macht ihm das Leben schon in den harten Lehrjahren schwer, wie man bei Röhrigs Vortrag erfahren konnte. Die Ausbildung als Schauspieler macht sich bei seinen Lesungen bemerkbar: Seine anschauliche Sprache und die zahlreichen Dialoge vermitteln ein höchst lebendiges, anschauliches Bild vom abenteuerlichen Leben des Genies, das durch seine spektakuläre Hell-Dunkel-Malerei berühmt wurde und dem die Leute von der Straße als Modelle dienten.
Vom skandalösen Lebenswandel erfuhr man an diesem Abend noch nichts, aber Röhrig zog die Zuhörer dennoch in den Sog des prallen Sittengemäldes, das er auf fast 500 Buchseiten mit Worten gemalt hat. Dazu gehört die drastische Szene von der Zwangsmissionierung der Juden in Rom, die Caravaggio und seine Jugendliebe Paolo beobachten und die Röhrig detailreich ausschmückt - fast so, als zöge ein Film vor dem inneren Auge vorbei. Es fiel schwer, danach wieder in die Gegenwart zurückzufinden. Röhrig half den Zuhörern dabei mit der Rahmenhandlung, die vom Raub eines Caravaggio-Gemäldes 1969 in Palermo erzählt, der bis heute nicht aufgeklärt ist.